Start 
 Seite
Mittelerde
Privat
Gästebuch

Elftes Kapitel: Auf der Türschwelle

In zwei Tagen ruderten sie über den langen See und kamen an die Mündung des Eilend, und immer höher und finsterer sahen sie nun den einsamen Berg vor sich aufragen. Am Ende des dritten Tages legten sie am linken Ufer an und schifften sich aus. Hier trafen sie auf die vollgepackten Ponys, die über den Landweg hierher geführt wurden und verabschiedeten sie von den Seemenschen, die schnellstmöglich zurück wollten. Am Tag darauf machten sich die Zwerge und Bilbo auf zum einsamen Berg. Es war schwieriges Gelände, alles verwüstet vom Drachen, aber trotzdem erreichten sie den Fuß des Berges ohne Gefahr oder Anzeichen von dem Ungeheuer. Ihr erstes Lager schlugen sie auf der Westseite des großen südlichen Berggrats auf, der in einer Anhöhe endete, die der Rabenberg hieß. Von dort sandten sie Späher aus, zu denen neben Balin, Kili, Fili auch Bilbo gehörte. Sie entdeckten auf der Nordseite am Fuß des Berges die zerstörte Stadt Thal und ein gutes Stück darüber das Haupttor zu dem verlassenen Zwergenreich; eine dunkle Höhlenöffnung zwischen den Graten des Berges und daraus sprangen die Wasser des Eilend hervor und von dort stieg auch eine Wolke von Dunst und blauem Rauch auf. Der Drache war also noch da. Sie hatten genug gesehen. Tags darauf machten sie sich wieder auf und bezogen einen neuen Lagerplatz auf der Westseite des Berges, denn dort musste irgendwo, wenn die Karte Thrors stimmte, der geheime Eingang in den Berg sein. Lange suchten sie vergeblich die steil aufragenden Felsflanken ab, und ihr Mut begann  wieder zu sinken, als Bilbo die Andeutung eines kleinen Pfads entdeckte, der sich nach Norden an der Bergwand entlang zog. Er tappte an dem Sims entlang, der hoch direkt über ihrem Lager plötzlich in die Felswand zurückwich und ihn in eine kleine, stille Nische einließ, zwischen steilen Wänden und mit grasbewachsenem Boden. Was er gefunden hatte war keine Höhle, denn oben war freier Himmel, aber an der Innenseite stieg eine Wand auf, glatt und aufrecht wie Mauerwerk, doch ohne Fugen oder Spalte. Von Rahmen, Schwelle oder Pfosten war nichts zu sehen, auch nicht von Riegel Schloss oder Schlüsselloch; und dennoch zweifelte er nicht, dass er die Tür endlich gefunden hatte. Auch die Zwerge waren sicher, dass dies der Ort der Pforte war, und sie begannen ihr Lager in die kleine Grasmulde zu verlegen. Nun saßen sie zwar vor der Türschwelle, aber die Zaubertür zu öffnen gelang ihnen nicht. Lange brüteten sie vor sich hin, doch das machte die Tür nicht durchgängiger. Schließlich kam Bilbo (wer sonst) hinter das Geheimnis der Tür. In diesen Tagen hatte er lange Thrors Karte studiert und auch über das sinniert was in den Mondrunen darüber stand. So warteten sie am Anfang der letzten Herbstwoche bei Sonnenuntergang darauf, was passieren würde und tatsächlich: ein Lichtstrahl drang durch die Öffnung der Nische herein und fiel auf die glatte Felswand. Es knackte, und ein Steinplättchen fiel von der Wand ab und gab ein Schlüsselloch frei. Schnell steckte Thorin den Schlüssel, den er von Gandalf bekommen hatte, in das Loch und drehte ihn. Alle stemmten sich gegen die Felswand und langsam gab ein Stück davon nach; eine Tür, fünf Fuß hoch und drei Fuß breit schwenkte langsam nach innen. Vor ihnen lag ein gähnender Schlund, der abwärts in den Berg hinein führte.             

Kapitel zwölf: Aus gutunterrichteter Quelle

Lange standen die Zwerge vor der Tür, bis Thorin Bilbo in die Tiefe schickte, denn für diese Aufgabe, die Meisterdieberei,  sei er ja schließlich angeworben worden. Nur Balin wagte sich ein Stück weit mit in den finsteren Gang hinunter, gerade soweit wie er den Lichtschein der Türe noch erkennen konnte. Danach war Bilbo auf sich allein gestellt. Er steckte sich seinen Ring auf und schlich leiser als ein Eichhörnchen in die Eingeweide des Berges. Bald kam es ihm vor, als ob es warm würde. Dort unten glühte etwas. Als er weiter ging, wuchs und wuchs es. Der rote Lichtschein wurde immer stärker, und die Hitze war nicht mehr zu leugnen. Dazu gesellte sich ein Geräusch, das wie das schnurren eines Riesenkaters klang; das Schnarchen eines gewaltigen Tieres, das dort unten in der Glut schlief. Bilbo blieb stehen. Das er dann noch weiter ging, war die mutigste Tat seines Lebens. Der Gang mündete in eine riesige Halle, deren Ende und Decke man nur erahnen konnte und dort, in der Mitte der Halle, lag auf einem sagenhaften Berg aus Gold und Edelsteinen der Drache. Mit angelegten Flügeln und eingerolltem Schwanz lag Smaug ein wenig auf die Seite gedreht, so das der Hobbit seine Unterseite und den langen bleichen

Bauch sehen konnte, der sich in den vielen Jahren auf diesem kostbaren Bett mit einer Kruste von Gemmen und Goldstücken bedeckt hatte. Er hatte es nie für möglich gehalten, aber nun war sein Herz durchdrungen und verzaubert von dem selben Verlangen, das auch die Zwerge erfüllte und er starrte regungslos, den furchtbaren Hüter fast vergessend, auf das aller Zählung spottende Gold. Da wechselte der Drachen seine Träume und bewegte sich etwas, aber er wachte nicht auf. Doch das genügte schon, Bilbo ergriff die Flucht und nahm am Vorbeigehen noch einen goldenen Pokal mit, um nicht mit leeren Händen zu den Zwergen zurück zu gehen. Die Zwerge waren überglücklich den Hobbit wiederzusehen und vor Begeisterung klopften sie ihm auf die Schultern und erklärten sich und ihre Nachkommen auf Generationen zu seinen ergebensten Diensten. Immer noch ließen die Zwerge den Pokal von Hand zu Hand gehen und sprachen voll Entzücken von der Wiedergewinnung ihres Schatzes, als ein tiefes Grollen im Berg erwachte, wie wenn ein Vulkan ausbreche. Die Prahlereien waren im Nu vergessen, und sie zogen ängstlich ihre Köpfe ein. Der Drache war noch da! Zwar können Drachen mit ihren geraubten Reichtümern nichts anfangen, aber für gewöhnlich kennen sie ihren Schatz auf Taler und Heller. Als er aufwachte, war ein fremder Geruch in seiner Halle, der irgendwo von weit oben durch dieses kleine Loch zu ihm kam. Er rührte sich und reckte den Hals, um zu schnüffeln. Dann vermisste er den Pokal. Diebe! Mörder! Feurio! So etwas war ihm noch nie passiert, seit er im Berg lag! Sein Zorn war unbeschreiblich und so rannte er zum Vordertor. Den ganzen Berg abzusuchen bis er den Dieb erwischt, zerfetzt und in den Boden gestampft hätte, war sein einziger Gedanke. Auf Bilbos Drängen brachten sich er und die Zwerge in den Tunnel in Sicherheit, sonst hätte es sie alle erwischt. Doch die Ponys waren verloren. Am nächsten Tag wagten sie sich wieder raus, und mussten entdecken, dass ihr Lager zerstört war und die Tragtiere verschwunden. Was von den Vorräten noch brauchbar war, retteten sie in den Gang. Smaug jedoch lag wieder auf seinem Goldberg. Der Dieb würde wiederkommen und diesmal würde er nicht schlafen! Und so kam es auch. Bilbo schlug selbst vor, am Tage, wenn der Drache schlafe, in die große Halle zu schleichen, und sich etwas umzusehen. Vielleicht gab es einen Weg den Drachen loszuwerden. So wandelte er also zwischen den Goldbergen und dem schlafenden Drachen, als ihn dieser ansprach. Denn Smaug stellte sich nur schlafend und hätte ihn der fremde Geruch des (unsichtbaren) Hobbits nicht neugierig gemacht, wer weiß was passiert wäre! „Sei gegrüßt, Dieb! Tritt nur näher! Bediene dich abermals, es ist noch genug da!“ Und so begann ein hochinteressantes Gespräch zwischen Smaug dem schrecklichen und Bilbo dem Hobbit, wovon hier nur soviel verraten werden soll: Drachen sind tückisch und raffiniert und obwohl Bilbo glaubte, dass er dem Drachen nichts verraten habe, hatte dieser doch genügend Schlüsse aus Bilbos in Rätsel gefasste Geschichte gezogen. Ein paar Zwerge und die Menschen vom See stecken also dahinter. Die sollen mich kennen lernen!, dachte er. Wenn nur bald die Nacht kommt! Als Bilbo wieder oben bei den Zwergen war, erzählte er

ihnen  alles. Er berichtete auch, dass es fast unmöglich sei den Drachen zu töten, denn sein Schuppenpanzer sei hart wie Stahl und auf der Bauchseite (die er sich genau angeschaut hatte) war er von Gold und Gemmen geschützt. Nur an einer Stelle, auf einer Mulde an der linken Brustseite, war ein kahler Fleck. „Da ist er so kahl wie eine Schnecke ohne Häuschen!“, erzählte er. Eine Drossel, die niemand beachtete, hörte die ganze Zeit zu. Als Bilbo mit seiner Geschichte am Ende war flog sie davon. Als die Nacht hereinbrach wurde es Bilbo Angst und er beschwor die Zwerge in den Tunnel zu gehen und die Türe zu schließen. Davon wollten sie zuerst nichts wissen, denn sie wussten nicht, wie man die Türe von Innen öffnen konnte, aber Bilbo war es so ernst mit seiner Forderung, dass sie sich darauf einließe, und nicht zu spät. Kurz nachdem sie die Tür geschlossen hatten und ein Stück weit in den Berg gegangen waren, erzitterte er in seinen Grundfesten. Der Drache war draußen und da er den Zugang zum Berg nicht entdecken konnte, zerstörte er in seinem Hass die ganze Bergflanke, um auf Nummer Sicher zu gehen. Dann schwang er sich flammensprühend in die Luft und flog nach Süden, Richtung Langen See. Nächstes Kapitel.            

[Start Seite] [Mittelerde] [Privat] [Gästebuch]

 

 

 

Start 
 Seite
Reise- 
  weg
1. & 2. 
 Kapitel
3. & 4. 
 Kapitel
5. & 6. 
 Kapitel
7 & 8 
 Kapitel
9. & 10. 
 Kapitel
11. & 12. 
 Kapitel
13&14 
 Kapitel
15. & 16. 
 Kapitel
17. & 18. 
 Kapitel
19. Kapitel 
 Chronologie