Fünftes Kapitel: Rätsel in der Dunkelheit

Als Bilbo die Augen aufschlug, wusste er nicht, ob er sie nun wirklich offen hatte, denn es blieb ebenso dunkel, wie wenn sie zu waren. Er konnte nichts hören, nichts sehen und außer den Steinen am Boden konnte er auch nichts fühlen. Er war allein. Allein in der Dunkelheit. Keine Zwerge, kein Gandalf und, zum Glück, auch keine Orks. Er entschied sich nach einer Weile auf gut Glück für irgendeine Richtung und kroch ein ganzes Stück weit dahin, bis seine Hand am Boden plötzlich auf etwas traf, das sich wie ein kleiner Ring aus kaltem Metal anfühlte. Das war ein Wendepunkt in seinem Leben, aber er wusste es nicht. Ohne sich viel dabei zu denken, steckte er den Ring in seine Tasche und machte sich auf, immer weiter in den Berg hinein. Er musste ja irgendwo hin, und zu den Orks zurück wollte er auf gar keinen Fall. Vielleicht würde ihn ja dieser Weg aus dem dunklen Berg bringen. Völlig unvorbereitet platschte er in eiskaltes Wasser. Es war ein unterirdischer See und das Ende seines Weges. Das war die Heimstatt des alten Gollum, ein kleines schleimiges Geschöpf. Er lebte seit einer Ewigkeit dort unten in der Tiefe, auf einer kleinen Felseninsel mitten in dem schwarzen Gewässer. Er ernährte sich hauptsächlich von den augenlosen Fischen, die in dem See lebten, aber ab und zu schnappte er sich auch einen unvorsichtigen Ork, der sich zu weit in die Tiefe wagte und fraß ihn auf. Jetzt beobachtete er gerade Bilbo, der am See angekommen war, denn Gollum konnte im Dunkeln gut sehen. Es war kein Ork und das machte ihn neugierig. So paddelte er mit seinem kleinen Boot zu Bilbo hinüber, um sich ihn anzusehen. Bilbo erschrak wahnsinnig, als er diese kleine schleimige Kreatur sah und er zog auch sofort sein Schwert. Das stimmte Gollum ein wenig freundlicher und er lud Bilbo zu einem kleinen Schwatz mit ihm ein. Er war sehr neugierig, was denn dieser kleine Kerl in seinem Berg wollte und wie er vielleicht schmecken würde. Er schlug Bilbo ein Rätselspiel vor, bei dem man sich abwechselnd Rätselaufgaben aufgibt und der andere sie dann lösen muss, solange bis einer keine Lösung für eine Aufgabe hat. Was sollte der arme Bilbo denn nur tun? Natürlich, wenn er gewönne, dann, und das hat Gollum versprochen, würde ihn das glatzköpfige Wesen aus dem Berg führen. Aber wenn er verlöre, sollte er sich für Gollum als Abendessen zur Verfügung stellen. Aber für diesen Fall hatte er immer noch sein Schwert. Also sagte er zu. Und so gaben sie sich viele Rätsel in der Dunkelheit auf, auch wenn manchmal einer ins Stocken kam mit der Antwort, so wusste doch jeder eine Antwort auf des anderen Frage. Gollum wurde langsam wütend, weil der freche Fremde auf alles eine Antwort zu haben schien und hungrig, weil das alles so lange dauerte. Bilbo war mal wieder daran ein Rätsel zu stellen, aber ihm fiel beim besten Willen keines mehr ein. Gollum drängte ihn schon und bekam langsam Oberwasser, als Bilbo in seine Tasche griff und den Ring ergriff. Er sprach es aus, was er eigentlich nur denken wollte: „Was hab ich da in meiner Tasche?“ Gollum schrie auf: „Unfair, unfair, das ist kein Rätsel, das ist eine Frage. Es muss uns dreimal raten lassen.” Bilbo erkannte das Missverständnis und wiederholte seine Frage noch mal. Gnädigerweise ließ er Gollum dann auch dreimal raten und dieser lag dann ja auch zum Glück dreimal daneben. Nun forderte er Gollum auf, sein Versprechen zu halten und ihn aus dem Berg zu führen. Aber Gollum dachte nicht daran, denn jetzt war er wirklich wütend und er paddelte auf seine Insel zurück, um etwas zu holen, das ihm helfen sollte den bewaffneten Hobbit zu töten. Dort hatte er nämlich einen Ring versteckt, für den er vor vielen, vielen Jahren seinen besten Freund ermordet hatte und der seinen Besitzer unsichtbar machte, wenn man ihn auf den Finger steckte. Auf diese Weise kam er also zu seinem Orkfleisch und auf dieselbe wollte er nun Bilbo an den mittlerweile schmutzigen Kragen. Doch, oh weh, und zum Glück für Bilbo, der Ring war nicht mehr da. Er hatte ihn verloren. Seinen Schatzzz. Er brauchte nicht lange, um zu erraten, wo der Ring abgeblieben und was nun in Bilbos Taschen war. Er schrie und spuckte und paddelte unter großem Gezeter wieder zu Bilbo zurück und diesem war gut geraten, sich aus dem Staub zu machen. Aber er kam nicht weit, da stürzte er in der Dunkelheit über einen Stein zu Boden und dachte, jetzt sei alles aus. Aber Gollum rannte wutentbrand an ihm vorbei, denn beim Sturz hatte er versehentlich den Ring aufgesteckt. Und da erkannte er, dass der Ring ein Zauberring war und unsichtbar machte. So folgte er Gollum unsichtbar, der sich in seiner Verzweiflung zum Ausgang aufmachte, um dort den Hobbit abzufangen. Die Außentore waren von Orks bewacht, aber ein Stück vorher wachte nun Gollum in einem Gang an dem niemand vorbeikommen sollte. Doch Bilbo nahm Anlauf und sprang über Gollum hinweg und dieser verfluchte ihn und schrie ihm nach, dass er Beutlin für immerdar hassen würde. Als Bilbo unsichtbar auf die bewachten Außentore zuschritt und die Freiheit schon vor Augen hatte, verriet der Ring seinen neuen Besitzer, denn zu einem Hobbit wollte dieser gar nicht. So wurde Bilbo inmitten einer Horde Orks plötzlich sichtbar, aber diese waren so verblüfft, dass es Bilbo gelang, sich trotzdem durch das Tor zu zwängen (wobei er alle Knöpfe seiner Weste verlor, was ihn sehr betrübte) und in die taghelle Freiheit zu entkommen.      

Sechstes Kapitel: Aus der Pfanne ins Feuer

Nun war er den Orks also entkommen, denn das Tageslicht vertragen sie nicht. Aber oh je, er hatte keine Kapuze mehr, keine Knöpfe, kein Pony, nichts zu Essen und, was am Schlimmsten war, keine Freunde mehr. Als er einfach drauflos marschierte, bemerkte er nach einer Weile, dass er wohl schon auf der anderen Seite des Nebelgebirges war. Aber wo waren wohl Gandalf und die Zwerge? Er hatte sich schon damit abgefunden, dass er zurückkehren musste in die Finsternis des Gebirges, um seine Freunde zu retten, da entdeckte er Balin auf Ausguck. Dann hörte er auch die Stimmen der anderen und er war sehr erleichtert. Bilbo hatte ganz vergessen, dass er ja immer noch den Ring aufhatte, darum starrte Balin, der jetzt direkt vor ihm stand auch durch ihn hindurch. Da konnte er nicht widerstehen und machte sich einen Scherz mit den Zwergen und auch mit Gandalf, die in einer Mulde im Kreis saßen und sich gegenseitig die Schuld an dem Verlust des Halblings gaben. Er zog den Ring ab und schritt wie aus dem Nichts in ihre Mitte. Zunächst erschraken sie sehr, dann waren sie sehr verblüfft und dann einfach heilfroh, dass Bilbo wieder da war. Während Balin einen Rüffel bekam, weil er als Posten den Hobbit nicht bemerkt hatte, musste Bilbo erzählen, wie es ihm ergangen war. Er erzählte allerdings nichts von dem Ring und so wuchs sein Ansehen bei den Zwergen ungemein, weil diese insgeheim immer noch an den Meisterdieb-Fähigkeiten des Herrn Beutlin gezweifelt hatten. Und auch Gandalf war recht erstaunt, Bilbo wohlbehalten auf dieser Seite des Gebirges wieder zu finden. Aber er nahm ihm seine Geschichte nicht ganz ab, doch er sagte nichts. Jetzt aber drängte er zur Eile, denn bei Nacht würden die Orks sie erbarmungslos jagen und alle waren sich einig, dass es am Besten war, möglichst viele Meilen zwischen sich und den unheilvollen Bergen zu bringen, bevor die Dunkelheit über sie hereinbrach. So marschierten sie los, ohne Mahlzeit (sie hatten sowieso Nichts) immer Richtung Osten. Als sie in der Dämmerung auf eine Lichtung traten, in deren Mitte ein paar Bäume standen, hörten sie von weit unten am Hang ein Heulen, ein schauriges, langgezogenes Heulen. Den Orks entkommen, von den Wölfen geschnappt, dachte Bilbo, als Gandalf sie anwies, auf die Bäume zu flüchten, denn Wölfe können ja nicht klettern. Das taten sie dann auch und es hätte bestimmt sehr lustig ausgesehen, wie die Zwerge, Gandalf und Bilbo in den Ästen der Bäume saßen, wenn die Gefahr nicht noch viel größer gewesen wäre, als sie annahmen. Nun kamen sie nämlich, und es waren keine normalen Wölfe, sondern es waren Warge. Und die sind viel größer  und noch viel gemeiner als normale Wölfe. Sie machen oft gemeinsame Sache mit den Orks, die sie als Reittiere hernehmen und die Siedlungen der Menschen plündern und sie fressen. An diesem Abend wollten sie sich wieder mit den Orks an ihrem Treffpunkt, dieser Lichtung, treffen. Aber jetzt saßen dort ein gutes Dutzend leckerer Happen in den Bäumen und die Orks schienen sich zu verspäten. Aber wenn die kamen, würden sie die da oben schon runtertreiben und dann gab es ein saftiges Fressen. All das besprachen sie in ihrer grauenhaften Sprache, die aber Gandalf verstand, und so musste er handeln. Sie mussten verschwinden, bevor die Orks kamen, und so zauberte er ein funkensprühendes Feuerwerk, das den Wargen die Pelze versengte und sie in wilde Raserei brachte. Aber es war zu spät. Die Orks waren angekommen. Und die waren sehr erheitert, als sie die Mörder ihres Anführers in den Bäumen sitzen sahen. Nun stapelten sie Holz um die Bäume und entzündeten einen Feuerkreis, der sich immer enger um die Gefährten zog. Sie saßen in der Falle und es gab keinen Ausweg mehr. Doch die Hilfe sollte von oben kommen, aus den Lüften. Denn dort sah Gwaihir, der König der Adler und ein Freund Gandalfs, die Misere, in der sie sich befanden, und rettete sie mit einigen seiner Untertanen aus den brennenden Bäumen. Die Orks waren sehr erbost, als die Adler herabstießen und die sichergeglaubte Beute in die Lüfte entführten, und sie schworen, sich an den Zwergen zu rächen. Doch zunächst waren die Zwerge als auch Gandalf und Bilbo in Sicherheit, wenn man es Sicherheit nennen kann, viele Meilen hoch durch die Luft zu fliegen. Die Adler brach-

gebirge und dem Düsterwald erstreckte. Dort wurden sie abgesetzt und Gandalf führte sie zu einem seltsamen Quartier (Kapitel sieben).